ich hoffe, Sie hatten ein gutes Wochenende trotz eher herbstlich-feuchtem Wetter? Falls nicht, nehmen Sie sich jetzt eine kurze, persönliche Auszeit und genießen Sie den Moment, die Woche wird bestimmt noch lang genug.
Heute geht es wieder einmal um Karriere, genauer gesagt, um Karriere und ihre Planung in Berlin. Viele Menschen wollen nach Berlin, im nächsten Jahrzehnt peilt man hier die 4 Millionen Marke an. Vielleicht spielen auch Sie gerade mit dem Gedanken, den Schritt in die große Stadt zu wagen?
Generell wird es heute immer wichtiger, sich in puncto Karriere vorab eine Gretchenfragen zu stellen: Wo soll das alles passieren? Wir hören vom Staat aber auch in den Weiten des Internets immer wieder von Globalität, dem mobilen Arbeitnehmer der seinem Job hinterherzieht, Karrierechancen auch fernab von Familie und Verwandten ergreift, der tollen Vereinbarkeit von Kind und Karriere im Bayerischen Wald oder der Sächsischen Schweiz (mit Internetgeschwindigkeiten knapp über ISDN Niveau und dem nächsten Handymast in 80km Entfernung -,-)...aber, wollen wir das?
Für Berlin(er) kann man sicher sagen: Nein!
Gebürtige und angestammte Berliner verzweifeln schon, wenn man ihnen nahegelegen muss, aus Kostengründen (z.B. Hartz IV Empfänger und die Wohnraumproblematik) oder Bildungsaspekten (zweistündige Fahrtzeit für den sechsjährigen zur Wunschschule) ihren Kiez oder Bezirk zu verlassen. Bezirke sind hier sowieso ein heikles Thema, die 12 die man jetzt hat, wollte angeblich nie jemand so richtig, man war und ist in Berlin froh, wenn man alles in lokaler Kleinstaaterei innerhalb der vor der Gebietsreform gültigen Bezirksgrenzen erledigt bekommt. Gänzlich unverständig wird der Ureinwohner, wenn man ihm von der Fabel der "einen Stadt" kommt, beispielsweise weil der Marzahner einen Job in Spandau aufnehmen könnte...nee, nee meine Herren (und Damen), da bleibt dann Ost und West doch wieder strikt getrennt.
Wie gesagt, dies betrifft vor allem und zunächst diejenigen, die schon länger als eine Generation hier in Berlin leben. Alles, was in den letzten zehn Jahren hereingeschneit kam, ist vor allem deshalb so wenig veränderungsfreudig, weil die Mieten von damals heute einfach nur noch utopisch niedrig sind. Die Folgen kennen alle, die auch nur ansatzweise im Speckgürtel dieser Stadt residieren. Der Ansager im Frühstücksradio braucht dreimal Kaffee zum nachfeuchten der Mundhöhle um in der morgendlichen Rush-Hour alle Staus mit Wartezeiten von mehr als zwei Stunden anzusagen. Zeitgleich twittert die Berliner S-Bahn fröhlich, dass man im Herbst keinesfalls mit Laub auf den Schienen gerechnet hätte, diese aber nun glitschig seien, weshalb in der Folge die S 1,2,3,5,7,41,42 und 45 unplanmäßig oder gar nicht verkehren. Und die BVG baut parallel dazu und ohne Schienenersatzverkehr auf irgendeiner elementaren Linie, aktuell beispielsweise die U2...
Wer jetzt trotzdem noch erwägt, für seinen Traumjob nach Berlin zu ziehen, hier eine Familie zu importieren oder neu aufzulegen, dem sei das Werk von Volontären der Evangelischen Journalistenschule unserer Stadt nahegelegt. Die Kollegen dort, größenteils keine gebürtigen Berliner, haben sich das 2011 vorgestellte Datenmaterial zur Stadtentwicklung vorgenommen und es grafisch aufbereitet.
Somit können Sie nun, ohne zunächst ca. 2482 mit Excel-Tabellen und Graphen geschmückte Seiten zu studieren, mit einem Klick sehen, ob die angepeilte Wohnlage innerhalb der Stadt in zehn Jahren eher seniorenfreundlich umgestaltet werden muss, oder für Sie und Ihre Kleinen neue Spielplätze und Kitas umsetzen wird. Als nächstes lohnt ein Blick ins Material um zu bestimmen, ob der Nachwuchs in einigen Jahren auch eine Chance auf einen fußläufigen Schulweg hat, oder ob das 24/7 Mama/Papa Taxi auch hier noch benötigt wird. Die eigene Karriere sollten Sie natürlich auch nicht vergessen und nach all diesen ernsten Fragen dürfen Sie natürlich auch gerne noch klären, ob sich Ihr heimlicher Traum von laubenpiepen im eigenen Kleingarten in erreichbarer Nähe verwirklichen lässt.
Fazit
Berlin ist - Berlin. Keine Frage, wenn Sie im Staatsdienst landen, bei einem Start-Up durchstarten möchten oder jeden Montag feststellen möchten, dass die ersten fünf Tage nach dem Wochenende die härtesten sind, dann sind sie vermutlich nicht völlig falsch hier. Haben Sie jedoch zusätzlich noch Ansprüche an einer längerfristige Zukunft in dieser Stadt, sei es weil Sie sesshaft werden möchten oder andere Umstände die Vermutung ergeben, dass Sie hier nicht bloß ein Gastspiel geben, dann sei Ihnen geraten, sich vorab genau mit dieser Stadt zu beschäftigen. Auch wir mussten die Erfahrung machen, dass Arbeiten zwar grundsätzlich von jedem Kiez der Stadt aus möglich ist, Familie, Karriere und öffentlichen Nahverkehr sinnvoll zu vereinen jedoch bisweilen ein Ding der Unmöglichkeit darstellt. Kommen Sie her, sehen Sie sich um...aber bitte mit Zeit und nicht Hals über Kopf. Sie werden es sich selber danken!
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