Dienstag, 15. September 2015

Warum der Wohnort entscheidend für Kind und Karriere sein kann

Etwas später als üblich, die Auswertung war umfangreicher als zunächst vermutet, widmen wir uns diese Woche einmal der Frage, warum Kinder in manchen Regionen Deutschlands ein extrem teurer Luxus sind. Sicher fallen den meisten von Ihnen zu diesem Thema Schlagworte wie KITA Beitrag, Mietkosten für die größere Wohnung oder Kosten für den größeren PKW ein. Ich vermute allerdings, die wenigsten unter Ihnen würden das Gehalt, welches am Monatsende auf dem Konto landet hier primär berücksichtigen.
Zwar hat man immer mal wieder in den Medien davon gehört, wie unverschämt gut Ingenieure in Süddeutschland verdienen, dass solche Diskrepanzen auch für alle anderen Berufe gelten, mögen sich sicher nicht allzu viele vorstellen.

Ich rede im folgenden nicht von Gehaltsvergleichen zwischen der Mecklenburgischen Seenplatte und Frankfurt am Main oder vergleiche Bremen mit München. Auch greife ich mir nicht explizit die Ingenieure heraus, dass Berufe, in denen Arbeitskräftemangel, herrscht mehr Einkommen ermöglichen, ist allgemein bekannt.
Hier und heute geht es um Hamburg, Berlin, Köln, Frankfurt oder auch Freiburg und dann um Jobs wie Sachbearbeiter in der Buchhaltung, PC-Techniker, Sekretärinnen und Call-Center Agenten. Kein Job darunter, der unendlichen Wohlstand verheißt, aber doch oftmals das, was Mama und Papa im Alltag eben arbeiten.

Zahlen, bitte.
Aber was hat das nun mit dem Wohnort zu tun? Sehr viel! Zunächst, soweit so logisch, fließt in das Gehalt der Bedarf an Arbeitskräften ein. Hat man also in Berlin 10.000 arbeitslose Sekretäre und nur 5.000 offene Stellen, wird der Arbeitgeber tendenziell weniger bezahlen müssen, als in München wo die Zahlen eher umgedreht sind. Außerdem rechnen Arbeitgeber gerne die weichen Kosten vor, also angeblich günstige Mieten, gute Versorgungspreise etc. Bevor es hier aber nun allzu abstrakt wird, machen wir das ganze monetär einmal anschaulicher:

 

Der Sachbearbeiter

Herr Müller ist 31 Jahre, hat eine Ausbildung absolviert und arbeitet nunmehr seit sechs Jahren als Sachbearbeiter in der Buchhaltung eines mittelständischen Unternehmens. Das Durchschnittsgehalt für einen derart qualifizierten und erfahrenen Mitarbeiter liegt aktuell bei rund € 38.500 p.a. - soviel zum bundesweiten Durchschnitt.
Lebt Herr Müller nun in Freiburg, wo seit Jahren ein Überangebot an seinem Berufsstand existiert, zahlt der Arbeitgeber Herrn Müller nur noch 83% dieses Durchschnittsgehalts, mit anderen Worten exakt €31.955 p.a.
Sofern Herr Müller im Bankenparadies Frankfurt ansässig ist, ist der Bedarf an seiner Qualifikation ungleich höher, genauer gesagt so hoch, dass er für exakt die gleiche Tätigkeit wie in Freiburg nun 115% des Basiswerts einstreichen kann. Er verdient somit €44.275 p.a.

Der PC - Techniker

Herr Pick ist 23, PC-Techniker bei einer großen Handelskette und hat die Qualifikation im Rahmen einer kaufmännischen Weiterbildung vor zwei Jahren abgeschlossen. Damit hätte er Anspruch auf ein Durchschnittsgehalt von €32.000 p.a.
Da Herr Pick in Berlin lebt, welches ja bekanntermaßen arm aber sexy ist, sinkt das realisierbare Einkommen direkt einmal um 9% auf € 29.120. Ist dies zu wenig für ihn, bleibt nur ein Umzug nach München. Dort kann er, weil ein geringer Bedarf besteht immerhin auf €33.280 pro Jahr hoffen. Ob dies die Mehrkosten für München ausgleichen würde, bleibt zumindest zweifelhaft.

Die Sekretärin

Schauen wir weiter, Frau Meiser ist 42, Mutter von zwei Kindern, nach einer grundsoliden Ausbildung arbeitet sie aktuell mit 30 Stunden / Woche bei zehn Jahren Berufserfahrung für ein Grundgehalt von €30.000. Hat sie das Glück in Stuttgart zu leben, wird bei gleicher Arbeit hieraus ein plus von 8% oder €2.400 mehr, in Wiesbaden immerhin noch € 900 pro Jahr extra. Schlusslicht wäre Frau Meiser in Bonn und erneut Berlin, hier sinkt das erzielbare Gehalt auf 96% oder €28.800 bzw. in der Hauptstadt sogar auf 87% oder €26.100 per annum. 

Der CallCenter-Agent

Ein letzter Blick für heute geht auf den CallCenter Agenten, eine Tätigkeit, die man wirklich von überall betreiben kann, weshalb viele Anbieter auch nur das nötigste zu zahlen bereit sind, also das, was man an Lebenshaltungskosten benötigt, wenn der Betrieb auf der grünen Wiese platziert wäre. In diesem Jahr kann ein frischgebackener Agent mit €22.000 Einstiegsgehalt rechnen. Ist das CallCenter in Freiburg, werden schwupps 10% weniger bezahlt, unserem Arbeitnehmer bleiben also noch €19.800 - pro Jahr wohlgemerkt. In Hamburg erzielt er das Durchschnittsgehalt, in Düsseldorf ist eine kleine Steigerung eingepreist, hier sind €440 mehr pro Jahr erreichbar. 


Wir sehen also, die gleiche Arbeit ist, zumindest in nicht tarifgebundenen Unternehmen, nicht überall auch gleich viel Wert. Die Schwankung in manchen Branchen ist landauf, landab sehr moderat, gerade im administrativen Bereich jedoch durchaus beachtlich. Dieser Blogpost soll kein Urteil darüber fällen, was gerecht und was unfair ist, da möge sich der geneigte Leser bitte ein eigenes Bild machen.

Vielmehr geht es darum, dass junge Familien und solche, die es werden wollen, gut beraten sind, den Wohnort in ihre beruflichen Planungen einzubeziehen. Was nutzt am Ende eine multikulturelle Stadt wie Berlin, die kulturell sicher mehr Vielfalt als Wiesbaden zu bieten hat, wenn der Arbeitskräftemarkt so überlaufen ist, dass das realistisch erzielbare Gehalt auch im letzten sozialen Brennpunkt der Stadt nicht ausreicht, um die Familie dauerhaft auf finanziell tragfähige Beine zu stellen? Gleiches gilt natürlich analog für München, wo deutlich mehr in Miete und Transport gesteckt werden muss, ohne, dass das Gehaltsniveau im Alltagsjob in gleicher Weise mitziehen würde.


Der Jobpegel steigt?? Zeit zum Umzug!

Fazit

Nicht für jeden Beruf und jede Ausbildung wird es sich lohnen, aber: Wenn Sie also ohnehin nicht allzu fest verwurzelt sind, werfen Sie doch einmal einen Blick auf alternative Angebote in Städten und Gemeinden, die bisher nicht unbedingt auf Ihrer persönlichen Top-10 der lebenswertesten Städte Deutschlands gestanden haben. Vielleicht ist ja eine Überraschung dabei und ihr nächster
Karriereschritt führt Sie und Ihre Familie in eine etwas ruhigere Zukunft.




 

 

 

Anmerkung:

Dieser Blogpost ist selbstverständlich stark durch meinen Beruf geprägt. Es ist nicht unüblich, dass mich Menschen in meinem Alter nach hundert Bewerbungen und etlichen, mies bezahlten Praktika und Kurzzeitjobs aufsuchen und fragen, was sie falsch machen. Natürlich gibt es solche Exemplare, bei denen es in der Person liegt, jedoch fällt mir insbesondere in den letzten Jahren verstärkt auf, wie sehr die "Stellschraube" Mobilität vielen Menschen in diesem Punkt helfen kann. 
Auch ich bin so gesehen ein Nomade, der seiner Arbeit hinterherzieht, ursprünglich stamme ich aus einem ganz anderen Teil der Republik. Aber nun ist der Bedarf dieser Menschen an gut bezahlter Arbeit nun einmal Grundlage für mein "Durchschnittsgehalt", weswegen ich zu denjenigen gehöre, die hier in Berlin ihr Auskommen gefunden haben. Sollte sich der Arbeitsmarkt in dieser Stadt jedoch grundlegend verändern, wird es auch für mich Zeit, weiterzuziehen.

 

 

 



Quelle: Das Zahlenmaterial dieses Blogs entstammt der Gehaltsübersicht 2015 des Personaldienstleisters Robert Half. Dieser erstellt jährlich einen Spiegel für die wichtigsten Berufe in den Feldern Finanzen, IT und kaufmännische Tätigkeiten. Da die Kenntnis dieser Zahlen für gute Personaldienstleister wesentlich ist, um Kandidaten passgenau und nicht zu teuer zu vermitteln, halte ich persönlich die Werte für recht belastbar, sie entsprechen, zumindest für Berlin, auch meinen eigenen Erfahrungswerten.

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