Sonntag, 27. September 2015

Ein Mann, ein Kind, ein Großeinkauf - Klappe die Zweite

Da sind wir wieder, liebe Leser. Frisch und ausgeruht (Sie), leicht genervt mit Tanknadel auf Reserve-der-Reserve (ich) erreicht unsere Reise nun die Servicestation eines internationalen Ölmultis um dort einen Teil von Kinder- und Elterngeld via Mineralölsteuer in den Staat zu reinvestieren und nebenbei die Fahrbereitschaft des Arbeitswägelchens wieder herzustellen.

Hauptproblem hierbei war weder ein monetäres, noch, dass mich Tanken über Gebühr anstrengen würde. Nein, vielmehr ist der junge Mann derjenige, der sich an der Aussicht auf Zapfsäulen und Waschbetonplatten irgendwie so gar nicht erfreuen kann und dies auch lauthals kundtut. Papa steht nun also mit der Zapfpistole in der Hand außen vor dem Wagen, wo er gerne auch wäre um den KFZ-Dreck auch ja in jede Pore seines Körpers aufzunehmen und Papa eine anschließende Reinigung mit Kernseife aufzuerlegen - abgelehnt!
Also wird der kleine Mann kurz in Sichtweise der Kasse abgeparkt, was schon skeptische Blicke hervorruft, ob ich denn ein Tankpreller sein könnte. Bei Anblick des unzufriedenen Babys wird aber auch dem in der Nähe weilenden Tankwart klar, wer hier die Regierungsgewalt ausübt und Papa kann ungestört bezahlen und die Fahrt fortsetzen.

Ein kurzer Zwischensprint mit "Gagaga" und Konsorten und wir stehen vor dem lokalen Frischemarkt. Junior schwupp in den nächsten Einkaufswagen, Verbrezelung und Seitensteifigkeit werden diesmal schon vorab am leeren Gerät getestet und los gehts.

Erste Station - der Zeitschriftenstand

Hier könnte ich gut und gerne 15 Minuten verschwenden, ich lese gerne und auch querbeet, aber muss den Konjunktiv nutzen, da Zeitungen, noch dazu außer Reichweite, ebenso wenig babykompatibel sind wie Tankstellen, wird nur das absolute Kurzprogramm gefahren: Zeitschrift halbblind ausgewählt, Lottoschein gezückt und ab zur Kasse. Hier ist ein großes Schild aufgestellt: 
Bitte von rechts in die Schlange stellen
Soweit so einfach, gesagt, getan. Leider gibt es natürlich immer Menschen, die meinen, Regeln auf Schildern seien frei interpretierbar. Hat das im Verkehr in der Regel wenig Erfolg, wenn man beispielsweise ein hübsches Foto nach Hause bekommt, welches einen mit 50 in der 30er Zone abgebildet hat, so ist die Auslegung im Supermarkt mindestens flexibler. So hatte sich das auch die rüstige Renterin samt Hackenporsche gedacht, die unverfroren von links hinten ihren Platz in der Schlange erobern wollte. Dezente Hinweise der übrigen Wartenden wurden pampig kommentiert, es sei ihr ja wohl nicht mehr zuzumuten einmal um die ganze Schlange (3 Personen) herum zu laufen mit ihrem Einkaufstrolley, da müsse man schon einmal Verständnis zeigen. Nun, Erwachsene mögen Verständnis haben, vermutlich, weil wir uns unseren Teil dazu denken können. Mein Sohn hingegen hat das Herz auf der Zunge und zeigte sich, wohl weniger des Verhaltens, als mehr des Tonfalls der Sozialleistungsbezieherin empört, was er auch sofort laut und deutlich ihr gegenüber äußerte.
Man stelle sich vor, mitten im Supermarkt fängt ein Baby an, eine "arme alte Frau" lautstark im Babysprech auszuschimpfen. Das Highlight des Tages, nicht nur für mich, sondern auch für alle Umstehenden inklusive Verkäuferin. Nun ja fast alle, denn die Dame hatte es plötzlich SEHR eilig ihren Hackenporsche und sich aus dem Markt zu entfernen.

Zweite Station - Obst

Hier bekommt Baby große Augen - so bunt, so exotisch ...und wieder so weit entfernt von diesem verdammten Alugefängnis in das Papa ihn gesetzt hat ;). Überspringen wir also den kurzen Protestteil und nehmen Baby samt der aus dem Wagen geangelten Bananenfamilie mit in die nächste Abteilung.



Dritte Station - Wurst & Käse

Lieblingsstation von Vater und Kind. Ich bekenne, ich liebe Fleisch, ein Dasein als Vegetarier ist für mich schlicht nicht vorstellbar. Allerdings muss auch ich mir manchmal ins Gedächtnis rufen, dass wenn vor mir und meiner Frau zwei wunderbare, auf den Punkt gegarte, Filetsteaks liegen, gleichzeitig auch zwei Tiere hierfür verantwortlich zeichnen. Aus diesem Grund sind wir in diesem Punkt bereits vor einigen Jahren (und definitiv bevor es hipp wurde) auf Bio-Fleisch umgestiegen. Nein, ich glaube nicht, dass es besser schmeckt, oder so viel gesünder ist (was rotes Fleisch im Körper anstellt ist ja leidlich untersucht und wird am besten verdrängt), ABER das Tier hatte wenigstens etwas mehr Lebensqualität - und genau das ist mir den Mehrpreis, wie bei Eiern auch, wert.
Für die Miniausgabe von mir ist die Abteilung ebenso toll, wenn auch aus anderen Gründen. Die Käsetheke hat nämlich die ideale Höhe um die hochgestapelten, interessant riechenden, gelben Dinger aus dem Sitz heraus zu angeln und anschließend ausgiebig zu untersuchen (Endergebnis siehe Teil I dieses Posts). Die obligatorische Extrawurst an der Bedientheke, diese Woche durch Hühnerbrust substituiert, ist selbstverständlich auch ein Argument, das einen langweiligen Schiebetrip plötzlich zumindest geschmacklich interessant werden lässt.

Stationen vier bis sechs - Kühltheke, Süßwaren, Getränke

Bericht entfällt, da Baby immer noch mit seiner Wurstscheibe vollständig ausgelastet war.

Siebte Station - Tiefkühl

Spannend, sehr spannend. Die Arme sind lang genug um sich neuen Reizen auszusetzen. Insbesondere das eintauchen in die Truhe und das plötzliche Gefühl an den Fingern führt zu irrem Lachen und freudigem Glucksen ob der neuen Spielvariante.

Letzte Station - Kasse

Ein letztes Gefecht, wir erinnern uns, der Junior sitzt im Kindersitz des Einkaufswagens und thront somit ca 15 cm oberhalb des Kassenbandes. Ein willkommener Spielplatz. All das, was Papa vorher mühevoll von ihm entfernt aufgeschichtet hat muss nun aufs Band. Somit ist es endlich in Reichweite und kann umdekoriert, geangelt oder auch einfach nur herunter gestoßen werden. Während also die Kassiererin mit dem Baby im Wettstreit liegt, wer die Ware schneller angelt, dankt der Alltagspapa seiner Erfahrung, die ihm in den vergangenen zehn Monaten beigebracht hat, Eierkartons und ähnlich fragiles rechtzeitig am Anfang des Bandes und somit mit seinem eigenen Körper als Schutz vor Kindes Reichweite zu drapieren. 

Aftermath:

Hier schließt sich dann das Abenteuer Großeinkauf, das Haus ist erreicht, Papa schleppt Kind und Einkäufe hoch, Kind räumt Obst aus, während ich versuche die Kühlkette einzuhalten. Nachdem die angekauten Bananen und Pflaumen dann auch entsorgt sind, stellt der Nachwuchs fest, wie erschöpfend das Ganze doch war und liegt keine fünf Minuten später sanft schlummernd in Papas Armen.

Was für ein toller Tag!

Samstag, 26. September 2015

Ein Mann, ein Kind, ein Großeinkauf Teil I

Sparen wie die Schwaben
Heute war es wieder so weit. Nach ausführlicher Schnäppchenrecherche stand in unserer Familie die Bevorratung mit Haltbarem sowie das Auffüllen von frischer Ware zum Wochenende an. Moment, darüber hatten wir doch schon ein Blog, oder?

Im Prinzip, liebe Leser, haben Sie natürlich recht. Allerdings haben die Umstände seit dem letzten Blog dazu doch recht gewandelt. War es bisher so, dass Großeinkauf bedeutete, dass Papa die Sachen einsammelt die Mama ihm zuruft, während Junior aus seiner Manduca das Ganze interessiert beäugte, ist es nun so, dass Papa und Junior das Abenteuer alleine bestehen müssen. Noch dazu hat mein Sohn einen mittlerweile arg erweiterten Bewegungsdrang, so dass allein der Versuch, ihn in eine Bauch- oder Rückenbinde zu schnallen von ihm als versuchte Freiheitsberaubung bewertet und geahndet wird. 

Bleibt also nur, den jungen Mann in die dafür vorgesehene Vorrichtung im Einkaufswagen zu platzieren.  Aber von vorne...

Eine große Drogeriekette hat die Wahrheit erkannt...
Nachdem die Nacht für meinen Geschmack (durch eine ungeschickte Bewegung seiner Mutter) viel zu früh für beendet erklärt wurde, torpedierte nach dem Frühstück plötzlich auftretende, akute Müdigkeit meine Bemühungen, den Einkauf erledigt zu haben, ehe die Digitaluhr zweistellig wird. Nach 10 Uhr an einem Freitag einkaufen zu gehen bedeutet nämlich, einen Stau an der Frischtheke, der etwa so lang ist wie die Schlange vor dem Elbtunnel in der Rush-Hour. Wer also nicht unbedingt zwischen Rollatoren und Einkaufswagen zugeparkt werden will, um 3 Scheiben Fleischwurst zu ergattern, der steigt ab dieser Uhrzeit auf abgepackte SB-Ware um. 
Sei es wie es sei, tatsächlich war also erst einmal Vormittagsschlaf angesagt (ja, der Alltagspapa hat es schamlos ausgenutzt und sich dazugelegt), ehe wir um 11 Uhr dann starten konnten. 
Autofahren ist dabei ja auch so eine Sache, zumindest ohne zweites Elternteil. Da selbstlenkende Autos noch nicht serienreif sind, fällt diese Aufgabe dem Papa zu. Kinder haben aber im Reboarder nichts auf dem Beifahrersitz verloren, wodurch die Kommunikation auf einer Autofahrt von Wohnung zum großen Supermarkt gefühlt zwanzigmal zwischen "Gagaga" als Ausdruck der Freude, "Ooooooh" beim Bestaunen von LKWs und "Wäääääh" bei fehlendem Input changiert. Das alles natürlich bei Tempo 30-50, Verkehrsgeschehen wird da manchmal trotz aller Konzentration zur Nebensache.


Ein zehn Monate altes Kind ist darüber hinaus mit der Geduldsspanne einer gemeinen Fruchtfliege gesegnet, ein Umstand, der der kasernierten Haltung in einem Einkaufswagen eindeutig zuwider läuft. Folglich ist der einkaufende Elternteil nunmehr nicht mehr nur damit beschäftigt, alle "Supperschnäppchen" der Woche zu finden und einzuladen, nein, vielmehr muss er auch alles, was nur ansatzweise über die erste Gitterreihe hinausragt am entfernten Ende des Wagens balancieren. Vergisst er das, kann er anschaulich sehen, wie behände ein kleiner Mensch mit mehr Knorpel als Knochen seinen Körper verbrezelt, um Chipstüten, Bananen oder anderes zu angeln, anzuknabbern, zu analysieren und abschließend mit großer Freude auf den Boden zu werfen. Sie können sich also die allseitige Begeisterung vorstellen, wenn der nicht darauf vorbereitete Papa die Saftflasche und den Joghurtbecher in Reichweite gelassen hat...

Dass Kassenschlangen ebensowenig ein adäquates Babytainment darstellen, wie das Befüllen von Einkaufskörben und Verbringung selbiger ins Auto, ist wohl müßig an dieser Stelle zu erwähnen.
Nachdem wir nun also den Vorratsstop eingelegt hatten, ging es mit kurzem Halt beim Bäcker - sehr zur Freude des Sohnes, der hier ein Butterhörnchen räubern und anschließend unter großem Gekrümel im Babysitz vernichten konnte - weiter Richtung Frischemarkt.

Bevor ich dort jedoch ankam, musste ich feststellen, dass meine Holde leider vergessen hatte, dem Auto zu geben, wonach ihm am meisten verlangt - Benzin. Ich war heute im Stadtflitzer unterwegs, weil Madame den großen Wagen einmal ausfahren wollte und stellte fest, dass mir das Auto quasi auf Reserve übergeben wurde.
Murrend, innerlich fluchend und von der Idee mit Kind nun tanken zu müssen restlos begeistert, steuerte ich also die nächste Tankstelle an...

Fortsetzung folgt, bis dahin empfehle ich diesen Track zum Thema Schnäppcheneinkauf.


Samstag, 19. September 2015

Wieder eine Woche...

Liebe Leser,

es ist in den vergangenen beiden Wochen etwas stiller geworden hier. Jetzt, wo ich den Alltag überwiegend alleine gestalte, fehlt einfach hier und da die Muße, um das Erlebte in einer für Sie interessanten Form niederzuschreiben (Das soll ja hier kein Minutenprotokoll werden)

Was war also los?

Wir üben fleißig an der Trennung von Kind und Milchquelle, aktuell haben wir eine Toleranz von +/- 7 Stunden erreicht (wobei die Vorhersage, ob es heute klappen wird ungefähr so präzise ist, wie die Wettervorhersage für Kassel nächsten Donnerstag), was vor allem daran liegt, dass der junge Mann (dankenswerterweise) die Schlafgewohnheiten seines Eulenpapas übernommen hat. Ja, tatsächlich, mir wird mittlerweile mehrfach die Woche Schlaf bis fast 08:30 Uhr gegönnt. Ein Luxus! Zugegeben, seine Mama teilt diese Freude nicht völlig, schließlich ist sein Schlafbedarf nicht gewachsen und vor 20 Uhr ist allein der Versuch des hinlegens aus Babysicht strafbar und wird mit lautem Protestquietschen nicht unter 80 dB geahndet. 

Für mich hingegen ist es angenehm, die Morgenroutine passt zu mir, wir haben vor dem Sport- und Förderprogramm ausreichend Zeit für ein leckeres Frühstück und wenn wir nach dem Kurs noch schnell beim örtlichen Nahrungsmitteldealer waren, fällt der Filius nach unserer Rückkehr in 80% der Fälle schnell ins Reich der Träume. Nun ja, streng genommen nicht nur er, auch sein Papa gönnt sich an dieser Stelle meist eine technische Auszeit *räusper*

Und sonst? 

Ich merke, der Sommer ist vorbei. Waren in den letzten Monaten noch regelmäßig Väter mit ihren Kindern bei den Kursen und Gruppen, so hat sich hier seit Ende der Schulferien alles geändert - in 9 von 10 Fällen bin ich nun der Quotenmann. Glücklicherweise kennen wir uns mittlerweile alle recht gut untereinander, so dass mein Geschlecht hier nicht weiter ins Gewicht fällt, lediglich die Krankheitsvertretung im Musikförderkurs letzte Woche war augenscheinlich irritiert (aber professionell genug, diesen Umstand charmant in die Stunde einzubauen).

Demnächst starten neue Angebote, ich bin schon jetzt gespannt, wie die holde Damenwelt dann auf unseren Männerbund reagieren wird.

Babys Faszination...Herr Stachelschwein
Ansonsten habe ich wieder festgestellt, dass mein Sohn in manchen Dingen recht speziell ist. Vergangene Woche waren wir mit Freunden, die hier zu Besuch waren, im Berliner Zoo. Während andere Kinder dort glucksend und staunend vor Giraffen, Elefanten oder Pinguinen stehen, ist die Interessenlage bei uns eindeutig anders gelagert. Aktuell sind die Favoriten - Achtung - Strauße und Stachelschweine. Warum? Ich habe keine Ahnung, aber beide Tiere haben den Nachwuchs so fasziniert, dass das Verlassen der Gehege analog zum Versuch des zu frühen schlafengehens geahndet wurde. Kinder, Kinder manchmal seid Ihr seltsam...


In diesem Sinne und in aller Kürze - die schönen und sonnigen Wochenenden werden weniger, also werden wir nun dieses Nutzen um noch ein wenig Frischluft zu tanken. Wann waren Sie eigentlich das letzte mal in einem Zoo oder Tierpark? ;)

Ihr Alltagspapa

Dienstag, 15. September 2015

Warum der Wohnort entscheidend für Kind und Karriere sein kann

Etwas später als üblich, die Auswertung war umfangreicher als zunächst vermutet, widmen wir uns diese Woche einmal der Frage, warum Kinder in manchen Regionen Deutschlands ein extrem teurer Luxus sind. Sicher fallen den meisten von Ihnen zu diesem Thema Schlagworte wie KITA Beitrag, Mietkosten für die größere Wohnung oder Kosten für den größeren PKW ein. Ich vermute allerdings, die wenigsten unter Ihnen würden das Gehalt, welches am Monatsende auf dem Konto landet hier primär berücksichtigen.
Zwar hat man immer mal wieder in den Medien davon gehört, wie unverschämt gut Ingenieure in Süddeutschland verdienen, dass solche Diskrepanzen auch für alle anderen Berufe gelten, mögen sich sicher nicht allzu viele vorstellen.

Ich rede im folgenden nicht von Gehaltsvergleichen zwischen der Mecklenburgischen Seenplatte und Frankfurt am Main oder vergleiche Bremen mit München. Auch greife ich mir nicht explizit die Ingenieure heraus, dass Berufe, in denen Arbeitskräftemangel, herrscht mehr Einkommen ermöglichen, ist allgemein bekannt.
Hier und heute geht es um Hamburg, Berlin, Köln, Frankfurt oder auch Freiburg und dann um Jobs wie Sachbearbeiter in der Buchhaltung, PC-Techniker, Sekretärinnen und Call-Center Agenten. Kein Job darunter, der unendlichen Wohlstand verheißt, aber doch oftmals das, was Mama und Papa im Alltag eben arbeiten.

Zahlen, bitte.
Aber was hat das nun mit dem Wohnort zu tun? Sehr viel! Zunächst, soweit so logisch, fließt in das Gehalt der Bedarf an Arbeitskräften ein. Hat man also in Berlin 10.000 arbeitslose Sekretäre und nur 5.000 offene Stellen, wird der Arbeitgeber tendenziell weniger bezahlen müssen, als in München wo die Zahlen eher umgedreht sind. Außerdem rechnen Arbeitgeber gerne die weichen Kosten vor, also angeblich günstige Mieten, gute Versorgungspreise etc. Bevor es hier aber nun allzu abstrakt wird, machen wir das ganze monetär einmal anschaulicher:

 

Der Sachbearbeiter

Herr Müller ist 31 Jahre, hat eine Ausbildung absolviert und arbeitet nunmehr seit sechs Jahren als Sachbearbeiter in der Buchhaltung eines mittelständischen Unternehmens. Das Durchschnittsgehalt für einen derart qualifizierten und erfahrenen Mitarbeiter liegt aktuell bei rund € 38.500 p.a. - soviel zum bundesweiten Durchschnitt.
Lebt Herr Müller nun in Freiburg, wo seit Jahren ein Überangebot an seinem Berufsstand existiert, zahlt der Arbeitgeber Herrn Müller nur noch 83% dieses Durchschnittsgehalts, mit anderen Worten exakt €31.955 p.a.
Sofern Herr Müller im Bankenparadies Frankfurt ansässig ist, ist der Bedarf an seiner Qualifikation ungleich höher, genauer gesagt so hoch, dass er für exakt die gleiche Tätigkeit wie in Freiburg nun 115% des Basiswerts einstreichen kann. Er verdient somit €44.275 p.a.

Der PC - Techniker

Herr Pick ist 23, PC-Techniker bei einer großen Handelskette und hat die Qualifikation im Rahmen einer kaufmännischen Weiterbildung vor zwei Jahren abgeschlossen. Damit hätte er Anspruch auf ein Durchschnittsgehalt von €32.000 p.a.
Da Herr Pick in Berlin lebt, welches ja bekanntermaßen arm aber sexy ist, sinkt das realisierbare Einkommen direkt einmal um 9% auf € 29.120. Ist dies zu wenig für ihn, bleibt nur ein Umzug nach München. Dort kann er, weil ein geringer Bedarf besteht immerhin auf €33.280 pro Jahr hoffen. Ob dies die Mehrkosten für München ausgleichen würde, bleibt zumindest zweifelhaft.

Die Sekretärin

Schauen wir weiter, Frau Meiser ist 42, Mutter von zwei Kindern, nach einer grundsoliden Ausbildung arbeitet sie aktuell mit 30 Stunden / Woche bei zehn Jahren Berufserfahrung für ein Grundgehalt von €30.000. Hat sie das Glück in Stuttgart zu leben, wird bei gleicher Arbeit hieraus ein plus von 8% oder €2.400 mehr, in Wiesbaden immerhin noch € 900 pro Jahr extra. Schlusslicht wäre Frau Meiser in Bonn und erneut Berlin, hier sinkt das erzielbare Gehalt auf 96% oder €28.800 bzw. in der Hauptstadt sogar auf 87% oder €26.100 per annum. 

Der CallCenter-Agent

Ein letzter Blick für heute geht auf den CallCenter Agenten, eine Tätigkeit, die man wirklich von überall betreiben kann, weshalb viele Anbieter auch nur das nötigste zu zahlen bereit sind, also das, was man an Lebenshaltungskosten benötigt, wenn der Betrieb auf der grünen Wiese platziert wäre. In diesem Jahr kann ein frischgebackener Agent mit €22.000 Einstiegsgehalt rechnen. Ist das CallCenter in Freiburg, werden schwupps 10% weniger bezahlt, unserem Arbeitnehmer bleiben also noch €19.800 - pro Jahr wohlgemerkt. In Hamburg erzielt er das Durchschnittsgehalt, in Düsseldorf ist eine kleine Steigerung eingepreist, hier sind €440 mehr pro Jahr erreichbar. 


Wir sehen also, die gleiche Arbeit ist, zumindest in nicht tarifgebundenen Unternehmen, nicht überall auch gleich viel Wert. Die Schwankung in manchen Branchen ist landauf, landab sehr moderat, gerade im administrativen Bereich jedoch durchaus beachtlich. Dieser Blogpost soll kein Urteil darüber fällen, was gerecht und was unfair ist, da möge sich der geneigte Leser bitte ein eigenes Bild machen.

Vielmehr geht es darum, dass junge Familien und solche, die es werden wollen, gut beraten sind, den Wohnort in ihre beruflichen Planungen einzubeziehen. Was nutzt am Ende eine multikulturelle Stadt wie Berlin, die kulturell sicher mehr Vielfalt als Wiesbaden zu bieten hat, wenn der Arbeitskräftemarkt so überlaufen ist, dass das realistisch erzielbare Gehalt auch im letzten sozialen Brennpunkt der Stadt nicht ausreicht, um die Familie dauerhaft auf finanziell tragfähige Beine zu stellen? Gleiches gilt natürlich analog für München, wo deutlich mehr in Miete und Transport gesteckt werden muss, ohne, dass das Gehaltsniveau im Alltagsjob in gleicher Weise mitziehen würde.


Der Jobpegel steigt?? Zeit zum Umzug!

Fazit

Nicht für jeden Beruf und jede Ausbildung wird es sich lohnen, aber: Wenn Sie also ohnehin nicht allzu fest verwurzelt sind, werfen Sie doch einmal einen Blick auf alternative Angebote in Städten und Gemeinden, die bisher nicht unbedingt auf Ihrer persönlichen Top-10 der lebenswertesten Städte Deutschlands gestanden haben. Vielleicht ist ja eine Überraschung dabei und ihr nächster
Karriereschritt führt Sie und Ihre Familie in eine etwas ruhigere Zukunft.




 

 

 

Anmerkung:

Dieser Blogpost ist selbstverständlich stark durch meinen Beruf geprägt. Es ist nicht unüblich, dass mich Menschen in meinem Alter nach hundert Bewerbungen und etlichen, mies bezahlten Praktika und Kurzzeitjobs aufsuchen und fragen, was sie falsch machen. Natürlich gibt es solche Exemplare, bei denen es in der Person liegt, jedoch fällt mir insbesondere in den letzten Jahren verstärkt auf, wie sehr die "Stellschraube" Mobilität vielen Menschen in diesem Punkt helfen kann. 
Auch ich bin so gesehen ein Nomade, der seiner Arbeit hinterherzieht, ursprünglich stamme ich aus einem ganz anderen Teil der Republik. Aber nun ist der Bedarf dieser Menschen an gut bezahlter Arbeit nun einmal Grundlage für mein "Durchschnittsgehalt", weswegen ich zu denjenigen gehöre, die hier in Berlin ihr Auskommen gefunden haben. Sollte sich der Arbeitsmarkt in dieser Stadt jedoch grundlegend verändern, wird es auch für mich Zeit, weiterzuziehen.

 

 

Mittwoch, 9. September 2015

Tango mit dem Baby gefällig? Neues aus den Frühförderkursen...

Singen Sie eigentlich gerne? Tanzen Sie gerne? ....anders gefragt: Können Sie singen? Können Sie tanzen? Liebt Ihr Baby Gesang und Tanz?

Willkommen zurück in meiner Welt. Es geht, natürlich, wieder einmal um die diversen Kursangebote, die Eltern mit Babys so angeboten werden. Unter ihnen ist auch ein musikalischer Frühförderkurs, den ich bisher an den weiblichen Teil unserer Familie erfolgreich outgesourced habe. Warum? Nun, Standard und Lateintänze bekomme ich zwar in Grundzügen noch hin, aber musikalisch bin ich ungefähr auf dem Niveau einer rostigen Blechtrommel angesiedelt...Sie verstehen? Nun hat seine Mutter leider seit der vollständigen Rückkehr in die Arbeitswelt keine Zeit mehr für diesen Kurs, so dass es nun seit einigen Wochen mir obliegt, meinen Sohn hierhin zu begleiten.

Erst heute gelingt es mir, darüber zu schreiben, ob es an den "traumatischen" Erlebnissen im Kurs oder dem sonstigen Alltag liegt, überlasse ich Ihrem geschätzten Urteil. Jedenfalls, der größte Vorteil an diesem Kurs ist, dass er auch bei unserem lokalen Gesundheitszentrum stattfindet und wir daher zumindest 50% der Teilnehmer bereits aus anderen Veranstaltungen kennen. Das ist schön für die Kinder, für die unmusikalischeren Erwachsenen jedoch nochmals eine Herausforderung oder Hemmschwelle mehr.

Die Kursleitung ist gnadenlos...gnadenlos gut, denn die Kinder hängen an ihren Lippen, Musik kommt nur in den seltensten Fällen vom Band. Spätestens wenn die Reisrasseln ausgepackt werden, gibt es für Menschen mit einer Körpergröße von unter einem Meter kein Halten mehr. Gäbe es Rugby nicht schon, wir hätten eine neue Sportart erfunden, so einsatzfreudig wird hier um jede Rassel gekämpft. Ältere und schwerere Kinder haben hier natürlich einen Standortvorteil, aber hey...das Leben ist ungerecht.

Die Kursleitung ist gnadenlos...gnadenlos unbarmherzig zu den weniger musikalischen Eltern. Alle müssen mitsingen, nicht nur in der Gruppe, nein auch Kanons werden regelmäßig angestimmt. Für alle Eltern die noch nicht bei "Bruder Jakob" oder "Kommt ein kleiner Käfersmann" textsicher sind, hat sie zudem die passenden Souffliertafeln im DIN A2 Format dabei...Ausreden zweckslos, abgesehen von attestierter Kehlkopfentzündung gibt es kein Entkommen...

Links, zwo Wiegeschritt
So verfestigen sich in meinem Kopf also nunmehr Lieder die manchmal so sinnentleert sind, dass mein Sohn mich verständnislos ansieht, nur um im nächsten Moment in (gefühlt) schallendes Gelächter auszubrechen, was Papa denn da für einen Blödsinn singt und auch noch mimisch und gestisch (natürlich angeleitet) unterstützt. 

Die Krönung jeder Einheit ist dann am Ende noch der sogenannte freie Tanz von Mutter/Vater und Baby. Hier sollen wir einfach frei der Musik nachgehen und mit unserem Kind das machen, was uns gerade in den Sinn kommt. Fühle ich mich meist noch furchtbarst deplatziert bei dieser Übung (was wohl auch daran lag, dass ich die Musikrichtungen so überhaupt nicht zuordnen konnte), wurde uns zuletzt eine hübsche Rumba präsentiert, mein Sohn und ich legten sofort eine heiße Sohle aufs Parkett. Fan, Alemana, eine halbe Promenade, ja eindeutig, wir hatten Spaß. Ich fürchte allerdings, spätestens seit diesem Moment nehmen mich einige Muttis im Kurs nicht mehr für ganz voll...


Ganz generell gesprochen, Musik ist wichtig, weshalb auch zu Hause regelmäßig statt dem Fernseher das Radio läuft und Spiel und Forscherdrang im Hintergrund untermalt. Dank Digital- und Webradio gibt es ja hinreichend Stationen die nicht nur englische Einheitscharts anbieten, so dass mein Nachwuchs alle möglichen Genres von Folk bis Pop und Deutsch bis Französisch erleben kann. Nicht, dass ich einen besonderen Musikgeschmack hätte, klar zu Nickelback und Bon Jovi sage ich nicht nein, aber nach bisheriger Sachverhaltsprüfung hat mein Kind eine eindeutige Tendenz zu deutschem Acapella, genauer gesagt den WISE GUYS. Wer sie noch nicht kennt, oder aktuell kein Lied parat hat, möge sich hier einmal legal den Männerverstehersong schlechthin anhören (Tipp: Es geht um IKEA, den heimlichen Liebhaber unserer Partnerinnen ;))

Soviel für heute aus Babys Welt und Papas Zwängen. Bis demnächst, wenn Bruder Jakob seine Morgenglocken läuten hört...

Ihr Alltagspapa

Montag, 7. September 2015

So wird Berlin - und Sie wollen wirklich HIER Karriere machen?

Guten Morgen, 

ich hoffe, Sie hatten ein gutes Wochenende trotz eher herbstlich-feuchtem Wetter? Falls nicht, nehmen Sie sich jetzt eine kurze, persönliche Auszeit und genießen Sie den Moment, die Woche wird bestimmt noch lang genug.

Heute geht es wieder einmal um Karriere, genauer gesagt, um Karriere und ihre Planung in Berlin. Viele Menschen wollen nach Berlin, im nächsten Jahrzehnt peilt man hier die 4 Millionen Marke an. Vielleicht spielen auch Sie gerade mit dem Gedanken, den Schritt in die große Stadt zu wagen?

Generell wird es heute immer wichtiger, sich in puncto Karriere vorab eine Gretchenfragen zu stellen: Wo soll das alles passieren? Wir hören vom Staat aber auch in den Weiten des Internets immer wieder von Globalität, dem mobilen Arbeitnehmer der seinem Job hinterherzieht, Karrierechancen auch fernab von Familie und Verwandten ergreift, der tollen Vereinbarkeit von Kind und Karriere im Bayerischen Wald oder der Sächsischen Schweiz (mit Internetgeschwindigkeiten knapp über ISDN Niveau und dem nächsten Handymast in 80km Entfernung -,-)...aber, wollen wir das?

Für Berlin(er) kann man sicher sagen: Nein!

 

Gebürtige und angestammte Berliner verzweifeln schon, wenn man ihnen nahegelegen muss, aus Kostengründen (z.B. Hartz IV Empfänger und die Wohnraumproblematik) oder Bildungsaspekten (zweistündige Fahrtzeit für den sechsjährigen zur Wunschschule) ihren Kiez oder Bezirk zu verlassen. Bezirke sind hier sowieso ein heikles Thema, die 12 die man jetzt hat, wollte angeblich nie jemand so richtig, man war und ist in Berlin froh, wenn man alles in lokaler Kleinstaaterei innerhalb der vor der Gebietsreform gültigen Bezirksgrenzen erledigt bekommt. Gänzlich unverständig wird der Ureinwohner, wenn man ihm von der Fabel der "einen Stadt" kommt, beispielsweise weil der Marzahner einen Job in Spandau aufnehmen könnte...nee, nee meine Herren (und Damen), da bleibt dann Ost und West doch wieder strikt getrennt. 

Wie gesagt, dies betrifft vor allem und zunächst diejenigen, die schon länger als eine Generation hier in Berlin leben. Alles, was in den letzten zehn Jahren hereingeschneit kam, ist vor allem deshalb so wenig veränderungsfreudig, weil die Mieten von damals heute einfach nur noch utopisch niedrig sind. Die Folgen kennen alle, die auch nur ansatzweise im Speckgürtel dieser Stadt residieren. Der Ansager im Frühstücksradio braucht dreimal Kaffee zum nachfeuchten der Mundhöhle um in der morgendlichen Rush-Hour alle Staus mit Wartezeiten von mehr als zwei Stunden anzusagen. Zeitgleich twittert die Berliner S-Bahn fröhlich, dass man im Herbst keinesfalls mit Laub auf den Schienen gerechnet hätte, diese aber nun glitschig seien, weshalb in der Folge die S 1,2,3,5,7,41,42 und 45 unplanmäßig oder gar nicht verkehren. Und die BVG baut parallel dazu und ohne Schienenersatzverkehr auf irgendeiner elementaren Linie, aktuell beispielsweise die U2...

Wer jetzt trotzdem noch erwägt, für seinen Traumjob nach Berlin zu ziehen, hier eine Familie zu importieren oder neu aufzulegen, dem sei das Werk von Volontären der Evangelischen Journalistenschule unserer Stadt nahegelegt. Die Kollegen dort, größenteils keine gebürtigen Berliner, haben sich das 2011 vorgestellte Datenmaterial zur Stadtentwicklung vorgenommen und es grafisch aufbereitet. 
Somit können Sie nun, ohne zunächst ca. 2482 mit Excel-Tabellen und Graphen geschmückte Seiten zu studieren, mit einem Klick sehen, ob die angepeilte Wohnlage innerhalb der Stadt in zehn Jahren eher seniorenfreundlich umgestaltet werden muss, oder für Sie und Ihre Kleinen neue Spielplätze und Kitas umsetzen wird. Als nächstes lohnt ein Blick ins Material um zu bestimmen, ob der Nachwuchs in einigen Jahren auch eine Chance auf einen fußläufigen Schulweg  hat, oder ob das 24/7 Mama/Papa Taxi auch hier noch benötigt wird. Die eigene Karriere sollten Sie natürlich auch nicht vergessen und nach all diesen ernsten Fragen dürfen Sie natürlich auch gerne noch klären, ob sich Ihr heimlicher Traum von laubenpiepen im eigenen Kleingarten in erreichbarer Nähe verwirklichen lässt.

Fazit

Berlin ist - Berlin. Keine Frage, wenn Sie im Staatsdienst landen, bei einem Start-Up durchstarten möchten oder jeden Montag feststellen möchten, dass die ersten fünf Tage nach dem Wochenende die härtesten sind, dann sind sie vermutlich nicht völlig falsch hier. Haben Sie jedoch zusätzlich noch Ansprüche an einer längerfristige Zukunft in dieser Stadt, sei es weil Sie sesshaft werden möchten oder andere Umstände die Vermutung ergeben, dass Sie hier nicht bloß ein Gastspiel geben, dann sei Ihnen geraten, sich vorab genau mit dieser Stadt zu beschäftigen. Auch wir mussten die Erfahrung machen, dass Arbeiten zwar grundsätzlich von jedem Kiez der Stadt aus möglich ist, Familie, Karriere und öffentlichen Nahverkehr sinnvoll zu vereinen jedoch bisweilen ein Ding der Unmöglichkeit darstellt. Kommen Sie her, sehen Sie sich um...aber bitte mit Zeit und nicht Hals über Kopf. Sie werden es sich selber danken!

Mittwoch, 2. September 2015

Kinder als Kritiker - die neue Krabbelrunde

Kennen Sie das? Sie sind jung und motiviert und wollen alles richtig machen? Zum Beispiel die neue Ausgabe der Krabbelrunde die mein Sohn und ich seit dieser Woche besuchen? Die Sommeredition als offener Kurs ist vorbei, ab sofort gilt wieder eine feste Teilnehmerliste mit Kindern, die in den kommenden zwei Monaten gemeinsam die Welt (der Turnhalle) erkunden. Aus technischen Gründen die in unserem Gesundheitswesen und den dazugehörigen Krankenkassen begründet liegen, musste unsere letzte Kursleitung, die etatmäßig für die Fortsetzung eingeplant war, den Kurs abgeben. Schade für die Eltern, wie sich aber herausstellen sollte, noch "schader" für die neue Kursleitung.

Die Rutsche des (Miß)Erfolgs...
So versammelten sich also 5 Eltern-Kind Pärchen, die sich bereits seit Juni kennen und - von Episoden vorsätzlichen Spielzeugraubes abgesehen - schätzen, sowie eine neue Mama-Kind Paarung und hatten die selben, hohen Erwartungen an den Kurs wie in den Vorwochen. 
Leider hatte wohl niemand mit unserer neuen Kursleitung darüber gesprochen, was zuletzt im Sommerkurs der Goldstandard war, an dem sie sich nun messen lassen muss. Verstehen Sie es bitte nicht falsch, weder war sie schlecht, noch hätten die Eltern allzu kritisch reagiert. 

Wenn aber Kinder seit Wochen auf eine Bezugperson eingespielt sind, die mit ihnen als Ritual zu Beginn und Ende der Stunde singt, gemeinsam mit ihnen die Spielzeuge aufbaut und erkundet und sich mit jedem einzeln indiviuell auseinandersetzt, dann reagieren die Miniausgaben von uns schon sehr irritiert, wenn statt dessen eine fertige Landschaft auf sie wartet, die Musik nur vom Band kommt und die Kursleiterin passiv in der Mitte sitzt und einfach mal schaut, was die Kinder so damit anzufangen wissen, was sie ihnen in den Weg gestellt hat.  So hatten wir also fünf hochgradig irritiert wirkende Kinder zu Beginn der Runde, die alle ihre Eltern mehr oder weniger entgeistert ansahen mit der (natürlich noch nicht formulierbaren Frage)  
"In welchen Film sind wir denn hier bitte reingeraten?".

Zum Glück unserer Fachkraft sind Kinder Kinder und somit auch recht schnell darin, sich ihre eigene Welt zu gestalten. Nachdem das Singen also mangels Vorsänger ausfiel (mit Musik aus der Konserve können sie halt nicht so furchtbar viel anfangen) und die Animationsidee, die Kinder doch mal auf den Rücken zu legen (in einer KRABBELrunde), eltern- wie kindseitig verworfen wurde, fingen sie schlicht damit an, die neue Leitung zu ignorieren und aus dem vorhanden Areal das Beste zu machen. Der Neuzugang wurde einbezogen und durch liebevolles Bewerfen mit Bällen, leichte Würgegriffe und Eindringen in Nasenlöcher beim genaueren Abstasten in unsere Runde aufgenommen. 

Ohne böse Ironie: Ich glaube wirklich, die junge Dame ging neunzig Minuten durch ihre persönliche Hölle. Für einen Dozenten oder Leiter ist es schon Strafe genug, wenn erwachsene Teilnehmer, statt dem Thema zu folgen, lieber eigenen Diskussionen nachgehen - um wie viel härter muss es dann erst sein, wenn Babys zwischen 8 und 12 Monaten beschließen, ihr keine Aufmerksamkeit mehr zu schenken?

Auf der anderen Seite bleibt festzuhalten, dass sie noch mindestens 7 Wochen Zeit hat, es jedes Mal ein Stück besser zu machen. Ich persönlich traue ihr das zu, sie hat grundsätzlich die Offenheit, die es braucht, um sich der Materie "Kleinkinder in Erkundungsphase" sachgerecht zu nähern. Was ihr offenkundig fehlt, ist die Erfahrung mit eigenem Nachwuchs, was die heutige Lehrstunde vermutlich nochmals gnadenloser machte. Pädagogik aus Büchern und Seminaren zu kennen ist sicherlich gut (zertifiziert ist sie ja), faktisch aber keine ausreichende Vorbereitung auf den sechsfachen krabbelnden, brabbelnden, stehenden und fallenden Ernstfall...