Dienstag, 21. Juli 2015

18. Juli 2015 - Reisen mit Kind Teil II


Wie bereits angekündigt, enden unsere Ferien und der Alltag ruft uns zurück nach Berlin. Fliegen kam aufgrund der Preise nicht in Betracht, eine Autofahrt wollten wir uns ob der Ferienstaus ebenfalls ersparen. Was bleibt also? Kutsche oder Bahn. Erstere ist etwas aus der Zeit gefallen und auch nicht sonderlich gut gedämpft, weshalb wir uns wieder einmal für eine Reise mit der Deutschen Bahn entschieden.

Wieder einmal? Ja, richtig gelesen, wir gehören zu denjenigen, die dieses Verkehrsmittel öfter nutzen. Nun gibt es in Buchhandlungen und bei Amazon unzählige, teilweise sehr gut gemachte, Bücher über die Serviceeskapaden des ehemaligen Staatskonzerns, der seine Kunden mehr oder minder regelmäßig in Zustände zwischen Hysterie, blanker Aggression und tiefer Resignation treibt - und ja, sie stimmen alle.

Grundsätzlich nutzen wir das Angebot der Deutschen Bahn für Kleinkindabteile, eine Familienreservierung kostet hier z.Zt. 18 Euro für bis zu vier Sitzplätze. Eigentlich eine praktische Sache, eigentlich, denn dieser Einsatz nutzt einem leider gar nichts, wenn der betreffende Waggon wegen "ist nicht" plötzlich ausfällt.  Ist nicht kann dabei viele Ursachen haben, jetzt im Sommer sind meistens Klimaanlagen die Mimosen die für einen Ausfall sorgen. 
Erstaunlicherweise betrifft dies jedoch nur zwei Baureihen von ICE, nämlich die, in denen das Kleinkindabteil NICHT im Speisewagen untergebracht ist. Bordrestaurant/Bistro der dritten ICE Baureihe beinhalten dieses Abteil UND direkt nebenan das Abteil des Zugchefs der uns regelmäßig mit Verspätungen und Denglisch beglückt. Ein Ausfall dieses Wagen s wäre uns zumindest bisher noch nicht untergekommen....

Unsere beiden Highlights der vergangenen vier Wochen:

  • Berlin - Österreich: Die Hinfahrt von Frau und Kind. Es fällt aus, ja, Sie ahnen es bereits, der Wagen mit dem Kleinkindabteil (sowie drei weitere). Glücklicherweise wurde der Zug in Berlin eingesetzt, so dass meine Frau eine Sitzbank im Bordrestaurant ergattern und über 8 Stunden Fahrzeit heldenhaft verteidigen konnte. Angesichts dieser Glanzleistung des Services fand, wie Sie sich sicher schon denken konnten, kein Konsum im Bordrestaurant statt. Thank you for traveling...

  • Berlin - Göttingen: Ein Termin übers Wochenende in die Stadt, die Wissen schafft (Eigenwerbung). Die Buchung eines Kleinkindabteils überforderte die Buchungsmaske der DB im Internet völlig, so dass wir Plätze im RUHEwagen mittig zugewiesen bekamen. Hier blockiert leider der mitgeführte Kinderwagen den Fluchtweg - will sagen Gang - vollständig, was zu hysterischem Hecheln bei der hinzugestoßenen Fahrkartenkontrollkraft führt. So geht das nicht, für ihre Buchung sei sie als Bahn nicht verantwortlich...trari traro...
    Glücklicherweise war ihr Zugchef von mehr Entscheidungsfreude gesegnet, so dass wir unsere Fahrt ab dem nächsten Unterwegshalt in der 1. Klasse auf den behindertenfreundlichen Plätzen des Großraumwagens fortsetzen durften *chapeau*


Nun hatten wir also das Vergnügen unsere bisher längste Reise am Tag anzutreten - 12 Stunden in vollen Zügen der Zugfahrerromantik frönen...*

Glücklicherweise waren lediglich zwei Umstiege nötig um uns nach Hause zu bringen, einmal in München mit bequemem Übergang, einmal in Berlin zum finalen Ziel.

Pünktlich um 07:00 Uhr stehen wir also am Bahnsteig und erwarten die Ankunft unseres Eurocity der uns von Österreich nach München bringen soll. Ein Blick auf den Wagenstandsanzeiger (digital) lässt bereits erahnen, heute wird es spannend. Unsere Reservierung für Wagen 268 in der Hand haltend stelle ich fest - ja genau - dieser Wagen fällt heute leider aus (sowie sein Kollege aus der ersten Klasse). Der Grund für seine Befindlichkeitsstörung ist uns nicht bekannt, das zweite Kinderabteil im Zug jedoch nach Prüfung über den Großteil unserer Reisestrecke bereits reserviert. Der österreichische Zugchef weist uns trotzdem pragmatisch erst einmal diesen Platz zu, alles weitere möge sein deutscher Kollege klären, wenn dieser an der Grenze zusteigt - Problem für ihn gelöst, wie praktisch. Thank you for travelling...

Da wir nun wenig von derartigen Überraschungen halten, machen wir uns ganz pragmatisch (und mit seiner Duldung) eine Besonderheit der alten ECs zum Vorteil. Die Reservierungen werden noch in Papierform in die Abteile gesteckt, digitale Anzeigen gibt es dort anders als im Großraumwagen noch nicht. Schwupps sind also die Markierungen "Kleinkindabteil" gezogen und am Nachbarabteil (dessen Reisende glücklicherweise an der Grenze ausstiegen und keine Folgereservierungen vor München ersichtlich waren) angebracht. Selbst ist der Mann, bzw. die reisende Kleinfamilie...do it yourself á la Deutsche Bahn. 

Tipp: Wenn Ihre Reise einen EC / IC beinhaltet, achten Sie auf jeden Fall darauf, den richtigen Eingang zu benutzen. In Großraumwagen haben die Sitze teilweise die Armlehnen in den Gang hineinragend, so dass Sie mit einem durchschnittlichen Kinderwagen keine Chance mehr haben diesen zu befahren. Glauben sie mir, einen Kinderwagen in seine Einzelteile zu zerlegen, Kind, Gepäck und dessen Teile nacheinander in luftiger Höhe über die Köpfe der Mitreisenden zu balancieren und danach alles wieder zusammenzufügen ist Arbeit, die man sich gerne erspart. Zumal auch der Zugbegleiter sicher wieder auf seine Fluchtwege hinweisen wird...

In München angekommen hatten wir eine Stunde Übergang, genug also für einen bequemen Bahnsteigwechsel und noch eine echte bayerische Brezen-Brotzeit. München ist ein Kopfbahnhof, was Umsteigen hier sehr familienfreundlich macht, da alle Züge mindestens 5-10 Minuten vor der Abfahrt bereits im Gleis stehen (Achtung: tatsächliche Abfahrt ist gemeint, nicht die gewährlose Idee aus den gelben Aushängen die sich "Fahrplan" nennen, wann eventuell an einem Bahnsteig ein Zug sein könnte). Hier überraschte uns die Bahn positiv, sowohl Zug als auch das Abteil waren wie reserviert vorhanden, sieben Stunden zwischen München und Berlin in einem wirklich bequemen Abteil mit ausreichend Krabbelfläche konnten beginnen. Da sich auch die bahnüblichen Verspätungen in Grenzen hielten, konnten wir tatsächlich 11:41 Stunden nach unserer Abfahrt sagen, willkommen daheim


Fazit: Generalstabsmäßig geplante Reisen mit der deutschen Bahn funktionieren, allerdings würde ich sie Ihnen nur dann empfehlen, wenn Sie und Ihr Nachwuchs einen Platz im Kleinkindabteil ergattern konnten. Bei durchschnittlich zwei Abteilen pro Zug stellt dies insbesondere bei der Jagd nach Schnäppchentickets eine erhebliche Einschränkungen der Flexibilität dar, andererseits sind wir gerade mit 3 Personen für insgesamt 39 Euro (Europa Spezial) plus 18 Euro Reservierungen gereist (die Bahn hatte kürzlich eine Aktion, die eine Bahncard 25 inkl. Gratismitnahme eines Erwachsenen an Samstagen auf allen Strecken für 25 Euro ermöglichte), das bekommt man aktuell mit keinem anderen Verkehrsmittel mehr dargestellt und schont die Familienkasse doch erheblich. 

Fahrten in Großraumwagen mit Kleinkind kommen für uns zumindest so lange nicht mehr in Betracht, bis bei unserem Kind eine eigenständige Fortbewegung in der Senkrechten sicher stattfindet und auch die dazugehörigen Kommunikationsmethoden eine Rückführung zu uns ermöglicht, falls er plötzlich beim Bistromitarbeiter in der Küche auftaucht...

*Über Tag deshalb, weil ich eigentlich ein überzeugter Nachtzugreisender bin. Bei planbaren Reisen versuche ich, wann immer möglich, die Nachtanreise zu nehmen. Ich muss mich nicht stundenlang langweilen oder die Zeit für Arbeit nutzen, sondern steige ein, lege mich hin und wache am nächsten Tag am Zielort auf, auch Verspätungen interessieren auf diesen Relationen kaum...Einen Schlafwagen für die gesamte Familie bekommt man aktuell in der Vorbuchung für rund 130 Euro deutschlandweit.

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