Montag, 10. August 2015

Elterngeld oder: Klagen wirkt Wunder


Nachdem mein Blog letzten Montag zum Thema Hartz IV wegen Kindern mehr Interesse geweckt hat, als ich vermutet hätte, nehme ich dies gerne auf und werde ab sofort regelmäßig montags über Karriere bzw. den Kampf mit dem Amtsschimmel zu schreiben. Heute widme ich mich daher dem Elterngeld und der Personalsituation in den Ämtern.

Der Anspruch auf Elterngeld

Elterngeld steht grundsätzlich ersteinmal jedem zu, der den Titel "Eltern" für sich beanspruchen kann. Soweit so schön, aber dann geht es auch schon los. Haben Sie vor der Geburt einen Job ausgeübt erhalten Sie dem Grunde nach 67 Prozent ihres durchschnittlichen Nettoeinkommens der vergangenen 12 Monate (Väter) vor Geburt des Kindes. Mütter erhalten dies ebenfalls, jedoch bereinigt um die Mutterschutzzeiten*.

Damit das ganze Vater Staat aber nicht zu teuer kommt, schützt er sich mit einer Obergrenze. Da Elterngeld auf einen Höchstbetrag von €1.800 gedeckelt ist, werden Nettoeinkommen bei einer Grenze von rund €2.700 gekappt. 


Was ist nun aber mit denjenigen, die keinen, oder nur einen Minijob ausgeübt haben? Auch für die ist der Staat da und greift mit pauschal €300 Mindestanspruch unter die Arme. ABER: Bezieht derjenige Arbeitslosengeld II - also das geliebte Hartz IV - hat er leider nichts davon, denn das Jobcenter zieht diesen Betrag postwendend wieder ab. Sie fühlen sich bei diesen Zahlenspielereien etwas an meine Hartz-IV Rechnung letzte Woche erinnert? Gut, ich nämlich auch.

Soweit so gut liebes Elternteil, wir wissen also nun, dass Sie einen Anspruch gegenüber dem Staat haben, genauer gesagt gegenüber der Kommune ihres Wohnorts und dort in der Regel dem Jugendamt. Was jetzt folgt, ist manchmal einfach, oft aber auch ein Schildbürgerstreich par excellence.

Der Antrag auf Elterngeld

Vor alle Leistungen des Staates hat der Herr den Antrag gestellt. Dieser ist, zumindest in den meisten Kommunen, recht übersichtlich und rasch ausgefüllt, in erster Linie sind die Nachweise zum Einkommen der 12 Monate vor Geburt und Nachweise über evtl. Steuerklassenwechsel beizubringen, damit von Amts wegen der Anspruch geprüft und berechnet werden kann. So eine Berechnung ist an und für sich nicht kompliziert, der Staat selber stellt unter www.elterngeldrechner.de das passende Tool bereit. Natürlich sieht das auf Seiten des Amtes noch etwas umfangreicher aus, aber im Grunde stimmen bei gründlicher Vorbereitung beide Ergebnisse überraschend gut überein. 

Doch bevor Sie nun tatsächlich in den Genuss von Elterngeld kommen, muss die Bearbeitungsdauer abgewartet werden. Diese ist, je nach Kommune und teilweise auch innerhalb der Stadtstaaten sehr unterschiedlich. Manche Eltern haben ihren Bescheid 4 Wochen nach der Geburt parallel zur "ersten ausgefallenen Gehaltszahlung", in anderen Gebieten muss man jedoch aufgrund von Personalmangel im öffentlichen Dienst teilweise bis zu 9 Monate auf sein Geld warten. Richtig, dies bedeutet für viele Familien eine existentielle Notlage! 9 Monate ohne Gehalt, d.h. 9 Monate im Extremfall €1.800,00 (= €16.200,00) weniger, das kann fast niemand kompensieren. Da Banken zudem mittlerweile immer weniger kulant sind, oder aber durch Überzugszinsen sehr gut daran verdienen wollen, bleibt denjenigen die keine Hilfe im Familienkreis haben nur ein Weg - die Klage.

Auch wir mussten diesen Weg gehen, unser zuständiges Jugendamt war teilweise über Wochen geschlossen nur um Altfälle abzuarbeiten. Wie aber klagt man und vor allem: wo?

Die Untätigkeitsklage beim Sozialgericht

Zunächst einmal müssen Sie warten. Behörden wird in Deutschland ein gewisser Zeitrahmen eingeräumt um Sachverhalte zu prüfen und zu bescheiden. Im Fall von Elterngeld ist geregelt, dass der Antragsteller innerhalb von 8 Wochen einen Bescheid erhalten muss. Vorher können Sie leider gar nichts erreichen. Hat das Amt diese Zeit jedoch ausgeschöpft und nichts ist passiert, ist der Weg in die Gerichtsbarkeit eröffnet. Zuständig für die Fragen des Elterngelds ist in der Regel das Sozialgericht.

Ihr (und mein) Vorteil: Die Gerichtsverfahren sind für den Kläger kostenfrei, Sie benötigen zudem nicht zwangsläufig einen Anwalt. Gerade für diesen Sachverhalt war er für uns nicht erforderlich**

Da eingehende Klagen bei Gericht fortlaufend nummeriert  und abgearbeitet werden, wäre mit einem Verfahren in der Sache nicht vor Mitte 2015 zu rechnen gewesen. Bis dahin hätte unser Amt aber seinen Rückstand aufgeholt und die Angelegenheit wäre ins Leere gelaufen. Aus diesem Grund haben wir, parallel zur Klage einen Antrag auf Einstweiligen Rechtsschutz eingereicht.

Hierbei kann bei einem an sich klaren Sachverhalt vom Gericht angeordnet werden, dass die beklagte Behörde die Zahlungen auch ohne vollständige Prüfung zunächst vornimmt und ihrerseits ggfs. im Hauptverfahren eine Korrektur erwirkt.

Unser Sachverhalt gehörte zum Glück zu dieser Fallkonstellation: Wir sind Eltern, haben also grundsätzlich nach dem Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit berechtigt, Elterngeld zu beziehen. Auch hatten wir nachweislich gegen Empfangsbestätigung alle Unterlagen vollständig und fristgerecht eingereicht, die Berechnung an sich war somit kein Problem. Da dem Sozialgericht somit nachgewiesen wurde, dass alle von uns zu erbringenden Schritte erledigt waren und die Verzögerung schuldhaft seitens des Amtes (aufgrund von Personalmangel, wie dessen Rechtsvertreter freimütig einräumte) erfolgte, wäre unserem Antrag entsprochen worden und die Auszahlung gerichtlich angeordnet worden.

Wäre? Ja, an dieser Stelle endet meine Erfahrung mit dem sozialgerichtlichen Erzwingen von Leistungen. Unmittelbar nach diesem Schriftsatz war das Amt trotz seiner Überlastung plötzlich in der Lage, den Bescheid zu erlassen und die Zahlungen anzuordnen. Ein Schelm, wer dabei nun Böses denkt, aber ganz ehrlich liebes Jugendamt: den Tipp mit der Beschleunigung durch Klage habe ich bei der Abgabe des Antrags direkt von Eurer Mitarbeiterin bekommen, vielen Dank nochmal dafür.

Gibt es sonst noch etwas zu beachten? Ja, natürlich, schließlich reden wir hier über deutsches Recht. Bei Antragstellung erwartet das Gericht einen lückenlosen Nachweis aller finanziellen Bewegungen der vergangenen drei Monate (so soll verhindert werden, dass jemand Geld wegschafft nur um bedürftig zu werden), zudem dürfen keine frei verfügbaren Vermögen wie Sparbuch, Tagesgeld, Aktien o.ä. mehr vorhanden sein. Klagen kann und sollte man zwar trotzdem, aber ohne, dass wirklich nicht mehr genug Geld zum monatlichen Leben vorhanden ist, wird kein Richter eine einstweilige Anordnung erlassen. Sie ist also, anders als die Klage, wirklich nur dann ein Mittel, wenn der Bedarf tatsächlich vorhanden ist (bei uns war dies so, weil wir die ersten Monate zusammen zu Hause waren und mangels Bewilligung nur vom Mutterschaftsgeld leben konnten, zu wenig um alle Ausgaben zu decken).

Fazit

Eltern werden ist nicht schwer, gerade in den ersten Monaten finanziell über die Runden kommen aber sehr. Ich hoffe, ich konnte allen, denen aktuell die Bearbeitungszeiten in den Ämter immer tiefere rote Zahlen aufs Konto zaubern, eine Idee geben, wie sie ihr individuelles Verfahren vielleicht doch noch zu einem raschen und glücklichen Ende bringen können.
Das in den allermeisten Fällen keine böse Absicht hinter den Machenschaften der Ämter liegt, sondern schlichtweg politische Fehlplanung sollte aber bitte jeder im Auge behalten, der seinem gerechten Ärger Luft machen will...die Kolleginnen und Kollegen in der Sachbearbeitung können am allerwenigsten dafür...


*Die bereinigte Variante ist der vom Amt angewandte Regelfall, Sie können jedoch darauf bestehen, dass dieser Zeitraum einbezogen wird, was z.B. Sinn macht, wenn Sie zuvor Student oder arbeitslos waren und durch die Einbeziehung der sechs Wochen ihr Durchschnittseinkommen steigern können (Stichwort: Mutterschaftsgeld durch Arbeitgeber)
**Achtung, Achtung: Selbstverständlich betreibe ich hier keinerlei Rechtsberatung, ich schildere lediglich unseren Weg. Im Zweifelsfall sollten Sie IMMER fachkundigen Rat einholen, auch wenn dieser manchmal teuer ist.

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